Das Timing hatte gesessen: Donald Trump war noch keine 24 Stunden im Amt, als auf der Halleschen Opernbühne die neuen Gesetze einer fiktiven Goldgräberstadt verkündet und die ohnehin beschädigte Welt noch einmal untergangsreif auf den Kopf gestellt werden sollte.
Noch bevor die Ouvertüre erklang, durfte ein traurig klingender Brecht ganz ohne Vorhang sein aufgestandenes Publikum fragen: „Was sind das für Zeiten?“.
Folgerichtig beginnt der erste Akt mit dem Motiv einer Trauerfeier. Umgeben von antik-imperialen Säulengängen aus Styropor- und Bauschaum thront das Orchester auf einer Empore in Schalterhallen-Optik. Vor dieser monumentalen Tribüne besteigen die Darsteller mit Urnengefäßen nacheinander ein Rednerpult, um mit weinendem Gestus Textpassagen und Regieanweisungen aus dem Libretto ins Mikrophon zu deklamieren. Ein „Passionsspiel über den Kapitalismus“ wolle er aufführen, hatte Regisseur Michael von zur Mühlen in einem Gespräch mit dem Brechtforscher Günther Heeg erklärt. Der dem Stück innewohnende Nihilismus sollte dabei in aktiver „Trauerarbeit“ als „Form der Selbstermächtigung“ angeschaut werden können.
Dass diese Trauer niemals über drei Stunden durchgehalten werden kann, sondern umschlägt in groteske Komik, ist nur gut und tut dem Gelingen des Regievorhabens keinen Abbruch. Von zur Mühlen weiß zwar auf die Tube zu drücken, wenn es etwa um Bilder überbordender Dekadenz geht, vermeidet dabei aber vordergründige Effekte. So herrscht im ersten und zweiten Akt noch monumentale Strenge, gebrochen durch Momente melodramatischer Persiflage. Über weite Strecken kann man so relativ unabgelenkt der Komposition und dem Stück folgen, ehe sich im Schlussakt alles zu einem kakophonischen Slapstick-Requiem steigert. Diese mutige Gratwanderung verdient Respekt, denn mit einem weniger hervorragendem Ensemble hätte das Ganze auch leicht daneben gehen können.
Letztendlich aber hallte wohl, wenn auch von den Autoren Brecht und Weill so nicht beabsichtigt, die im Stück geschmähte „ewige Kunst“ als stärkstes Bollwerk gegen das tobende Nichts in den Zuschauern nach. Diese Einsicht dämmert uns heute, wo die „Mahagonnisierung“ der Welt vorangeschritten ist, die „Tempel“ aber, frei nach nach Schiller, noch „heilig“ sein können, auch wenn „die Götter längst dem Gespött dienen“.
Jörg Wunderlich
Weitere Aufführungen: 27. / 29. Januar , 1. / 26. Februar, 24. März,
Weitere Infos ( Link: http://buehnen-halle.de/mahagonny#!/ )
Foto: © Theater-, Oper und Orchester GmbH Halle, Falk Wenzel