Am 14. u. 15 Mai 2022 fand in Kannawurf die öffentliche Präsentation der Ergebnisse des mehrjährigen Projekts RESONANZEN statt.
8 Künstler entwickelten während mehrmaliger Residenzen auf Schloss Kannawurf künstlerische Arbeiten auf der Basis ihrer Auseinandersetzung mit der umgebenden Landschaft, ihrer Schönheit und ihren vielfältigen Konflikten. Während einer Ausstellung im Kornboden des Schlosses und auf zwei geführten Wanderungen zu den in der Landschaft verorteten Arbeiten konnten sich die Besucher den Gedanken und Intentionen der Künstler nähern und die Arbeiten in der Landschaft besichtigen.
Im Folgenden gibt es eine kleinen fotografischen Eindruck dieser beiden Tage.
8 Künstler – 8 Projekte:
Carl Vetter, KANNAWURF_ nah und fern
'LOIPE' : eine versteckte Blühwiese oberhalb des Dorfes Sachsenburg. Das Gelände ist an den Rändern mit grünen Holzstäben gekennzeichnet. Folgt der Betrachter den Markierungen, umrundet er das gesamte Areal. An vielen Seiten begrenzt dichter Wald die Sicht, immer wieder öffnet sich das geschwungene Gelände auch auf weit ins Land reichende Fernsichten. Sich bewusst mit allen Sinnen auf dieses beispielhafte Stück Land einzulassen ist die Idee für diese Arbeit.
(Fotos: Thomas Blase)
'LICHT – BLICK' : eine langgestreckte Wiese am steilen Berghang auf der anderen Seite der Unstrut, schräg gegenüber der Sachsenburg. Auf dem Gelände wird eine Linie abgesteckt, die durch die Auseinandersetzung mit dem Umfeld und dem Bewuchs an den Rändern abgeleitet ist. Bei Dunkelheit wird die Linie durch das flackernde Licht brennender Wachsfackeln weithin sichtbar. Etwa eine dreiviertel Stunde lang kann das Auftauchen und wieder Verlöschen der Flammen beobachtet werden. Aufgrund des großem Abstandes des Betrachters wird auch das gesamte Umfeld wahrgenommen, das Eingebettetsein der Wiese in die sie umgebende Landschaft.
(Fotos: Tino Trautmann, Thomas Blase)
Felicitas Fäßler, weisse Flecken
Eine Sandgrube, ein Hohlweg, eine Streuobstwiese mit abgestorbenen Bäumen … solche Biotope rings um Kannawurf sind Ausgangspunkt für die Arbeit, die im Rahmen des „Resonanzen Landschaftskunstprojekts“ entstanden ist. Inselgleich treten die Orte zwischen den riesigen, gleichmäßig gefurchten Äckern hervor. Grüne Wegmarken auf monochromem Grund. In Anlehnung an das orientierungsstiftende Werkzeug der Karte, werden die Orte aus der Vogelperspektive gezeigt. Die Motive basieren auf 3D-Modellen, die aus Datensätzen geodätischer Landschaftsvermessung erstellt und partiell mit Satellitenbildern koloriert wurden. Analog zu den weißen Flecken, die das unerschlossene Gebiet auf alten Plänen bezeichneten und heute sprichwörtlich ein unbekanntes Wissensgebiet markieren, bleiben die Texturen der Modelle teilweise ausgespart. Gefaltet als Landkarten können die Bilder in das Gelände zurückgetragen und mit individuellen Eindrücken abgeglichen werden.
(Fotos: Felicitas Fäßler, Thomas Blase)
Lasse-Marc Riek, KlangKompassKannawurf - Ein Soundatlas aus 4 Himmelsrichtungen von Lasse-Marc Riek
Jeder Ort hat seinen spezifischen Klang, jede Situation klingt anders. Die aus der kanadischen Soundscape-Bewegung entwickelte Methode der Hörspaziergänge beinhaltet die Erkundung von Umgebungen, Orten und Situationen mit Konzentration auf das Geräusch. Über die Sensibilisierung des Hörsinns entstehen neuen Perspektiven und Eindrücke des durchschrittenen Raumes. Wie klingt die Umgebung Kannawurf und welche spezifischen Klangorte gibt es? Diesen Fragen folgend wanderte Riek mit offenen Ohren, Mikrofonen und Sensoren zu unterschiedlichen Jahreszeiten durch die Landschaft und zeichnete Klangorte auf. Ausgehend vom Schloss Kannawurf wurden 4 Klangorte sonifiziert und in Kompositionen überführt. Die Kompositionen sind nach zuhören. Innerhalb der Festivaltage wird Riek eine temporäre Klangperformance an der Burgruine Sachsenburg aufführen.
1. Hörspaziergang „Obere Sachsenburg“ 20:48 Min.
2. Hörspaziergang „Hainleite Höhe Kannawurf“ 21:52 Min.
3. Hörspaziergang „KlangRaum Kindelbrück“ 25:52 Min.
4. Hörspaziergang „Windkraftpark Sprötau“ 14:24 Min.
(Fotos: Thomas Blase)
Tina Flau, „Rosaceae“ - Künstlerische Gestaltungen in ausgewählten Hohlwegen und ehemaligen Obstplantagen der nördlichen Agrarflur von Kannawurf
Die nördliche Agrarlandschaft von Kannawurf macht einen unwirklichen Eindruck. Der industrielle Landbau hat den Raum bis auf wenige ökologische und kulturhistorische Elemente entleert. Ich habe Orte gesucht, in denen noch eine Vielfalt lebt. Hier haben die wild bewachsenen Hohlwege und aufgelassenen Obstplantagen meine Zuneigung gefunden und ich sehe sie als bedroht an. Diese wichtigen Zeugnisse alter Landeskultur müssen geschützt und erhalten bleiben, zumal sie auch als Ausgangs- und Zielpunkte einer Wiederbelebung dienen können. Im Wappen von Kannawurf sind zwei Blüten von Rosaceaen (Rosengewächse) dargestellt. Die Bedeutung dieser Gattung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, für die ökologischen Prozesse und auch für unsere Ernährung (bekannte Obstarten). Generell geht es darum, dass die Landschaft wieder als ein Ort des Lebens positiv wahrgenommen werden kann; dazu sollen Aufenthalts- und Gestaltqualitäten entwickelt werden.
- Rosafarbene Bäume: eine Gruppe sowie einzelne Obstbäume wurden mit rosafarbenen Baumwollstreifen umwickelt, sodass eine fremdartige Fern- und Nahwirkung entsteht.
- Rosafarbene Beschilderung: zwei Hohlwege haben Namensschilder erhalten, als Wegweiser und Würdigung: „Hagebuttenweg“ und „Wildrosenweg“.
- Rosafarbene Sitzbänke sind an besonders schönen Orten platziert worden, um die Aufenthaltsqualität in der Landschaft zu erhöhen.
- Rosafarbene Info-Schilder mit Texten zu Rosen und Rosengewächsen sind in Kannawurf an Rosenstöcken von Privatgärten aufgestellt worden.
(Fotos: Thomas Blase)
Anne Baumann, Offener Brief der Wildpflanzen und Wildtiere der „Rabenhütte“
In ihrem Offenen Brief wenden sich die Wildtiere und Wildpflanzen der „Rabenhütte“ bei Kannawurf direkt an die Menschen: sie fordern nicht nur einen Waffenstillstand, sondern auch, dass ihnen „soviel zurückerstattet werden muss, wie sie uns, den Menschen, gegeben haben.“ Ausgangspunkt ist der „Naturvertrag“ von Michel Serres, der einen neuen Gesellschaftsvertrag vorsieht, in dem Pflanzen, Tiere und die Welt (Natur) ebenso juristische Subjekte sind wie wir Menschen.
Diese philosophische Idee findet in einigen Teilen der Welt bereits Anwendung und hat zum Ziel den Kriegszustand, in welchem sich die Menschheit mit der Welt (Natur) befindet, zu überwinden. Auch für die Region Kannawurf scheint diese Vision sinnvoll. Denn Gespräche mit der lokalen Bevölkerung haben gezeigt, dass der Landschaftswandel hin zu großflächigen Monokulturen nicht nur als Verlust der Artenvielfalt, sondern auch als Gefahr für die eigene Gesundheit und Eigentum wahrgenommen wird.
Veröffentlicht wird der Offene Brief in einem Schaukasten, den ich aus jenem Müll gebaut habe, den manche Menschen mutwillig Schaden verursachend in die ehemalige Sandgrube „Rabenhüttte“ bei Kannawurf abgeladen haben. Der Schaukasten ist an der „Rabenhütte“ aufgestellt und auch im Internet werden die Wildpflanzen und Wildtiere der „Rabenhütte“ ihren Offenen Brief bekannt geben.
(Fotos: Thomas Blase)
Jens Klein, Dellen und Muster, 2022
Mit dem Auto von Sachsenburg kommend Richtung Kannawurf, kurz vor der Kurve, ist eine kleine Vertiefung in der Straße, eine Delle. Beim Überfahren spürt man eine leichte Erschütterung. Kurz vor dem Ende des 2.Weltkrieges stürzte ein deutsches Flugzeug direkt neben der Straße hinter Kannawurf ab. Man konnte nichts sehen, weil die Stelle abgesperrt war, erzählte Frau Ernst im September 2021. Sie ist mit fast 100 Jahren die älteste Bewohnerin des Ortes.
Auf der Suche nach dieser Delle fand ich Geschichten, die die Menschen in Kannawurf in den letzten 100 Jahren erlebten und Bilder sie bis heute begleiten. Für die älteren Bewohner*Innen, sind es vor allem der Krieg, die Vertreibung und Flucht, obwohl diese fast 80 Jahre zurückliegen.
Schreiben sich geschichtliche Ereignisse und Veränderungen in die Landschaft ein, so wie sich das Erlebte ins Gedächtnis einprägt? Luftaufnahmen aus dem Zeitraum von 1944 bis zum Jahr 2020, die den Ort und die Landschaft um Kannawurf zeigen, sollen Auskunft geben.
Ellen Brix, 6400 m²
Diesem Projekt dient das artifizielle der Landschaftsarchitektur, hier Beispiel nehmend an einem Labyrinthentwurf von J. Peschel (1535-1599), im Kontrast zur flächendeckenden Monokultur der heutigen gewinnorientierten Agrarwirtschaft, als Grundlage. Der Gedanke der inneren Einkehr und des Zwiegesprächs auf dem Weg zum Zentrum des Labyrinths, im Spannungsfeld zur sich verlierenden Weite der Nutzlandschaft und der einseitigen, scheinbar unreflektierten Bebauung, sind der Ausgangspunkt dieser Arbeit.
Ralf Hoyer, ZEITgeteilt-PLANETENSPIEL Klanginstallation
Die Zeit beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also eine eindeutige, nicht umkehrbare Richtung. Sie ist eine physikalische Größe. Das allgemein übliche Formelzeichen der Zeit ist t, ihre SI-Einheit ist die Sekunde s. Daraus leiten sich unmittelbar die Einheiten Minute und Stunde ab, mittelbar (über die Erdbewegung und gesetzlich festgelegte Schaltsekunden) auch Tag und Woche, dazu (abhängig vom Kalender) Monat, Jahr. Nachdem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgewiesen wurde, dass die Länge des mittleren Sonnentages unregelmäßigen Schwankungen unterliegt und langfristig zunimmt,[1] wurde die Ephemeridenzeit eingeführt, die auf der gleichmäßigeren Planetenbewegung beruhte (Wikipedia). Stellen Sie sich vor, die Venus liefe nicht in 5392,8 Stunden einmal um die Sonne, sondern in 2696,4 – also mit doppelter Frequenz. Diese Frequenz noch einmal verdoppelt ergäbe eine Umlaufzeit von 1348,2 Stunden... Schließlich, nach weiteren 30 Frequenzverdopplungen (oder Oktaven), wären wir mit 221,23 Umläufen der Venus um die Sonne pro Sekunde in einem Bereich, den wir hören könnten. In ZEITgeteilt / PLANETENSPIEL sind Klänge zu hören, die auf die beschriebene Weise aus den Umlaufzeiten der 8 Planeten abgeleitet sind. Für angemessene Transzendenzerfahrung möge bitte jede(r) selbst sorgen...
gefördert durch:
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft