Eines der letzten Bücher, das er im Haus der Generationen auf dem Tisch von Klaus Pankow liegen sah, erzählt Akademiekollege Jörg Wunderlich, war „Mensch Gott!“ von Wolf Biermann, das Ende 2021 zu dessen 85. Geburtstag bei Suhrkamp erschien. Weitere Freunde aus der Akademie der Künste Sachsen-Anhalt, deren korrespondierendes Mitglied er war, neben Wunderlich wären noch Thomas Blase und Wieland Krause zu nennen, besuchten ihn in seinem Domizil, hielten den Kontakt. Pankow blieb über Bücher der Kunst verbunden – auch die Lektüre von „oda“, der Literaturzeitschrift des Landes, die ich ihm nach Erscheinen regelmäßig sandte, genoss er, kommentierte die jeweils neue Ausgabe.

Es zeigt, dass Pankow seine Neugier auf die Literatur, seine Heimat im Buch stets behalten hat. Eine redliche und wohl unstillbare Neugier, die in seiner Zeit als Lektor und Herausgeber bei Kiepenheuer und Reclam Büchern auf die Welt half, die zu stillen Legenden wurden: „Das Gesicht eines jeden in der Menge“ etwa, Bände von Walter Jens, Eugen Gomringer, Ernst Jandl, die ohne sein Zutun, ohne seine Bekanntschaft in der späten DDR wohl nicht erschienen wären.

Auch mit Thomas Brasch, bis heute und nun wieder in aller Munde, verwirklichte er einen Reclam-Auswahlband. Nach dem Mauerfall war Klaus Pankow wohl der erste ostdeutsche Lektor, der Brasch in Westberlin besuchte – eben aus solchen Begegnungen, der persönlichen Bekanntschaft mit den Großen resultierten immer wieder Veröffentlichungen. So wurde Pankow selbst zur Legende, nicht laut, aber beständig und kritisch. Und führte seine Rezensions- und kommentierende Arbeit, die sich vor der Wende in einer Reihe Artikel vor allem in Zeitungen niederschlug, auch nach der Wiedervereinigung fort. Nach seiner Pensionierung dokumentierte er sie in zwei streng kompilierten Bänden: „Die Einzelheit“ (Verlag Roland Heinrich 2012) und „In Grenzen lesen“ (ebenda 2013).  

Auch wenn er sich nach 1990 sich neue Arbeitsfelder suchen musste, als Leiter der halleschen Stadtbibliothek, im Pressestab des jeweiligen Stadtoberhaupts, blieb er der Arbeit an der Inaugenscheinnahme der neuesten Literatur stets verbunden, als Verfasser lichtvoller Essays, zu Joachim Walther etwa oder Ronald M. Schernikau, dessen große Gabe er frühzeitig erkannte. Pankow war und blieb Homme de lettre, auch lektorierte er wieder, für die Dresdner Mini Edition, für den Mitteldeutschen Verlag, in dem er die Herausgabe eines Bands von Lothar Rochau initiierte und die Neuausgabe des „Windhahnsyndrom“-Romans von Winfried Völlger anstieß – das Buch war in den Wendewirren auf dem Müll gelandet.

In der „Poesiealbum“-Reihe im Märkischen Verlag besorgte er u. a. die Auswahl der Gedichte von Christoph Kuhn; auch ich verdanke ihm außer einer immerwährenden Ermutigung seit dem ersten Buch 1994 einen fruchtbaren Austausch in Brief und Gespräch sowie das Lektorat zweier meiner Bücher. Die Zuwahl in die Akademie der Künste des Landes empfand er als Ehre und Freude – auch hier brachte er sich bei den Soiréen und in der Zuarbeit für die Zeitschrift der Gesellung ein. Daneben erschienen seine Texte in „Ossietzky“ und in der „Halleschen Störung“. Diese Texte bleibt es nun zu lesen und sich an diesen Büchermenschen zu erinnern, seine Hingabe an die Literatur, vor allem die Lyrik der Gegenwart.

Seit einigen Jahren ging es dem gebürtigen Schweriner nicht gut, am 17. Mai 2022 ist Klaus Pankow gestorben. Seine Stimme, sein Urteil fehlen. Unvergessen sein Auftritt im Literaturhaus Halle 2018 – anlässlich der ersten Soirée der Akademie der Künste sprach Pankow mit Thomas Bille über den DDR-Literaturbetrieb, der „von Zensur, Hierarchien und ‚Rotlichtbestrahlung‘ geprägt war, aber auch eine besondere Nähe zwischen Lektor und Autor ermöglichte“ und eben, dank ihm, die Bekanntschaft des ostdeutschen Lesepublikums mit Größen wie Karin Kiwus, Rolf-Dieter Brinkmann, Peter Rühmkorf, Ursula Krechel usw., usf.

Die Akademie der Künste Sachsen-Anhalt gedenkt ihres Mitglieds. Danke, Klaus! 

André Schinkel im Namen der Akademie